Europäische Föderalisten Oldenburg rufen zu Hilfe für die Ukraine auf

Oldenburg

Der Oldenburger Kreisverband der Europa-Union Deutschland, die Europäischen Föderalisten Oldenburg, verurteilen den russischen Angriff auf die Ukraine auf das Schärfste und rufen zu Spenden an in der Ukraine tätige Hilfsorganisationen auf. „Der völkerrechtswidrige, brutale und ungerechtfertigte Einmarsch in ein souveränes Land in Europa ist abscheulich“, so Pressesprecher Henning Kulbarsch. „Krieg darf niemals mehr eine politische Option sein. Dies sollte eigentlich längst gemeinsames Grundverständnis in unserer Welt sein. Wir verurteilen diesen Angriff daher scharf und fordern von der Bundesregierung und der Europäischen Union härteste Sanktionen gegen die russische Regierung“, so Vorsitzender Peter Meiwald. „Zu den nötigen Sanktionen gehören auch der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT, ein Einfrieren russischer Konten und der Abzug europäischer Investitionen“, führt Kulbarsch aus. „Schnellstmöglich müssen die europäischen Staaten und besonders Deutschland sich von der Abhängigkeit von russischem Erdgas konsequent lösen, um Putin auch diesen Hebel aus der Hand zu nehmen. Das Ende von Nord Stream 2 begrüßen wir daher sehr“, betont Meiwald.

Weiterhin rufen die Europäischen Föderalisten Oldenburg dazu auf, Geld an Organisationen zu spenden, die in der Ukraine medizinische und humanitäre Hilfe leisten. „Das Deutsche Rote Kreuz etwa weitet seine Projekte aus, um der ukrainischen Bevölkerung schnellstmöglich medizinische Versorgung und Hilfsgüter zukommen zu lassen.“, so Vorstandsmitglied Julia Schmelter. „Wir bitten alle Menschen in Oldenburg, sich mit einer Spende zu beteiligen!“ Finanzielle Unterstützung für die Betroffenen nimmt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) auf folgendem Konto, auch online unter www.drk.de/onlinespende, entgegen:

IBAN: DE63370205000005023307

BIC: BFSWDE33XXX

Stichwort: Nothilfe Ukraine

Abschließend appellieren die Europäischen Föderalisten Oldenburg, der Ukraine, dem ukrainischen Volk und besonders der ukrainischen Diaspora überall in Deutschland in der jetzigen Situation die volle Solidarität zu zeigen: „Die Ukraine kämpft gerade um ihr Überleben, und wir dürfen sie dabei nicht alleine lassen. Gleichzeitig fordern wir alle russischen Soldat*innen, die von ihrem skrupellosen Präsidenten in diesen sinnlosen und völkerrechtswidrigen Krieg geschickt werden, auf, von ihrem Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch zu machen.“

Kommentar: Nord Stream 2 – Der Gordische Knoten der europäischen Russlandpolitik?

von Henning Kulbarsch

Die geplante – und mittlerweile zu 98 % fertiggestellte – Gaspipeline zwischen Deutschland und Russland, Nord Stream 2, erhitzt schon seit Langem die Gemüter. Nord Stream 2 sollte einst Erdgas von Russland durch die Ostsee auf direkten Weg nach Deutschland transportieren, doch ob dies je passieren wird, steht in den Sternen. Während die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern mithilfe einer ominösen „Umweltstiftung“ versucht, das Projekt zu retten, setzt die neue US-Regierung im Wesentlichen den Sanktionskurs der Vorgängerregierung fort. Zugleich stellen sich im Zuge der Verhaftung Alexei Nawalnys neue Fragen an die Sinnhaftigkeit dieses Projektes. Die Debatte um die Pipeline hat dabei zuletzt an Schärfe gewonnen.

Die Befürwortenden des Projektes erhoffen sich zum einen ökonomische Vorteile. Dies gilt für Gasprom und die russische Regierung, die natürlich Geld verdienen möchten, aber auch die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, deren Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sich neue, gut entlohnte Arbeitsplätze an Vorpommerns strukturschwachen Küsten erhofft. Auch führen die Befürwortenden die Energiesicherheit ins Feld: Ohne russisches Gas, so das Argument, könnten in Deutschland bald die Lichter ausgehen, da der Umstieg auf die Erneuerbaren zu langsam voranschreite und wir gleichzeitig aus Atom- und Kohlekraft aussteigen.

Die Kritikerinnen und Kritiker des Projektes, zu denen auch der Autor dieser Zeilen zählt, sehen dies anders. Die Anforderungen des Klimaschutzes erfordern nicht nur den Kohle-, sondern auch den baldigen Gasausstieg. Die Kraft der Erneuerbaren wird bis heute chronisch unterschätzt, und die vielfältigen Chancen der Sektorenkopplung werden ebenso wie verbesserte Energieeffizienz dazu beitragen, Energiesicherheit selbst in Zeiten der „Dunkelflaute“ zu gewährleisten. Zudem ist die Pipeline anders als stets von Angela Merkel behauptet natürlich auch ein politisches Projekt und ist es immer gewesen. Doch soll man die russische Regierung wirklich für ihr politisches Verhalten der letzten Jahre belohnen? Trotz aller westlichen Versuche, „den Gesprächsfaden nicht abreißen“ zu lassen und „weiterhin den Kontakt zu suchen“, hat Präsident Wladimir Putin seine aggressive Außenpolitik rücksichtslos vorangetrieben. Wir in Deutschland mögen ja gemütlich weit weg sein – aber frage mal einer die Menschen in Georgien, der Ukraine oder Syrien, was sie von Putins Russland halten! Auch unsere EU-Partnerstaaten Polen, Estland, Lettland, Litauen, Finnland und Schweden fürchten das neue, alte russische Großmachtstreben. Die Pipeline in Betrieb zu nehmen, und so unseren Alliierten derart in den Rücken zu fallen, hielte ich für absolut unangemessen und eine politische, moralische und geostrategische Fehlleistung ersten Ranges. Auch wenn die Sanktionen der USA selbst ein Grund zu Ärgernis sind, hat die US-Regierung argumentativ ebenso Recht wie die Regierungen der nordöstlichen EU-Staaten und die deutschen Kritikerinnen und Kritiker des Projektes.

Das Problem ist, dass ein Abbruch des Projektes zum derzeitigen Zeitpunkt kaum möglich zu sein scheint, ohne dass viele einflussreiche Leute im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre gucken werden. Würde Nord Stream 2 gestoppt, würden sich etwa viele Menschen im deutschen Nordosten veräppelt vorkommen. Für sie wäre einmal mehr der Beweis erbracht, dass ihre ostdeutschen Interessen in der Bundesrepublik nichts zählen. Ein neuer, diesmal nicht ganz unberechtigter Opfermythos mit allen negativen Begleiterscheinungen (AfD-Wahlerfolge, Demokratieverachtung usw.) könnte die Folge sein. Auf der anderen Seite würde eine Vollendung der Pipeline nicht nur den Klimaschutz beeinträchtigen und die Umweltbewegung auf die Palme bringen. Vielmehr wären Deutschlands Beziehungen zu den USA und den genannten Nord- und osteuropäischen Ländern auf Jahre gestört. Wir als Europa-Union sollten uns deshalb besonders kritisch fragen, ob das Projekt wirklich eine Zukunft haben kann und darf.

Doch wie kann nun eine Lösung für das Nord Stream-Schlamassel aussehen? Schon im Januar hatte ich auf meinem Blog dazu die Idee entwickelt, die Pipeline zwar zu vollenden, aber nicht in Betrieb zu nehmen. Dazu muss die Bundesregierung zunächst die US-Regierung überzeugen, von den Sanktionen abzulassen, denn es darf nicht so aussehen, als ob man sich US-amerikanischem Druck gebeugt habe. In einem zweiten Schritt, ein paar Monate nach dem Ende der USSanktionen (und der Fertigstellung der Pipeline) sowie den erwartbaren Protesten der Klimabewegung gegen die Inbetriebnahme der Röhre, erklärt die (neue) Bundesregierung angesichts der Klimaproblematik und dem Umgang der russischen Regierung mit der russischen Opposition das Ende des Projektes. Man werde die fertiggestellte Pipeline nicht in Betrieb nehmen, weil sich die Ansichten zum Klimaschutz geändert hätten und man zudem Putins Verhalten gegenüber Nawalny und dessen Anhängerinnen und Anhängern nicht ignorieren könne. Um die Menschen in Vorpommern nicht zu enttäuschen, wird zudem nach dem Vorbild des Kohlekompromisses ein Infrastrukturpaket vereinbart, um mit der Ansiedlung von Bundesbehörden, Umgehungsstraßen, Spaßbädern etc. eine Kompensation für den wirtschaftlichen Verlust zu schaffen. So ließe sich vielleicht ein unsägliches Projekt beerdigen, ohne jemanden zu sehr zu vergrätzen. Selbst die russische Regierung wäre, glaubt man jüngeren Medienberichten (etwa MDR aktuell vom 12. September 2020), nicht allzu wütend über ein Ende des Projektes. Um mit einem Kalauer zu schließen: Es wäre für uns alle das Beste, würde Nord Stream 2 zum Rohrkrepierer.

Eine ausführlichere Version dieses Textes können Sie auf der Webseite des Autors lesen.

Kommentar: Über die Notwendigkeit guter EU-Russland-Beziehungen

von Steffen Akkermann

Zunächst der Versuch einer Beschreibung des Status quo:
Die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind seit 2014 infolge der rechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland, der russischen Unterstützung der Rebellen im Osten der Ukraine, der Politik Russlands in seiner Nachbarschaft, der Desinformationskampagnen Russlands im virtuellen Raum und der negativen Entwicklung der demokratischen Bürger*innenrechte in Russland stark belastet.

Auch aufgrund militärischer Interventionen Russlands in Syrien, Libyen und Afrika südlich der Sahara haben sich die Spannungen verschärft, wobei anzumerken ist, dass hier auch diverse NATO-Staaten und/oder EU-Partnerstaaten (u.a. USA, Türkei, Frankreich) in vielfältigen Formen mitmischen. Gleichzeitig bleiben die EU und Russland wirtschaftlich, kulturell und politisch nach wie vor eng miteinander verstrickt.

Vor 2014 hatten die EU und Russland eine strategische Partnerschaft aufgebaut, die u.a. Themenbereiche wie Handel, Wirtschaft, Energie, Klimawandel, Forschung, Bildung, Kultur und Sicherheit, darunter die Terrorismusbekämpfung, die Nichtverbreitung von Kernwaffen und die Konfliktlösung im Nahen Osten sowie den Beitritt Russlands zur WTO zum Ziel hatte.

Ich möchte versuchen, eine aus unserer europäischen Sicht notwendige Entwicklung darzustellen:

1. Ein Verhältnis der EU zu Russland, wie es vor 2014 gewachsen war, gilt es erneut zu erreichen.

2. Ich komme nicht umhin, ein verbessertes EU-Russland-Verhältnis vom Ziel her in dem Sinne zu formulieren, wie es Carl Friedrich von Weizsäcker in seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels bereits 1963 tat, als er von der Vereinigung der Welt in einer Weltgemeinschaft sprach.
Ich gehe hier einen Schritt zurück und rede von der Europäischen Völkergemeinschaft unter Einbeziehung Russlands als Vorstufe zur Weizsäckerschen Weltunion mit einer Weltinnenpolitik, die zwar Krisen zu bewältigen hat, aber Kriege nicht mehr geschehen läßt.

3. Diesem Ziel sind alle gesellschaftlichen, ethischen und politischen Aktionen und Bemühungen auf beiden Seiten – hier EU, dort Russland – verpflichtet.

4. Begleitet werden muß diese Entwicklung durch den Wiederaufbau eines verstärkten Vertrauens auf beiden Seiten zueinander als Richtschnur jedes zwischenstaatlichen Handelns.

5. Um die Ziele dieser Entwicklung zu begleiten und zu erreichen, sind europäisch-russische Verhandlungsorgane wiederzubeleben bzw. neu zu schaffen, denn
nach wie vor hat Russland ein Zimmer im Hause der Europäischen Union und sollte dort mit allen Europäer*innen friedlich wohnen.

Kommentar: EU-Parlament fordert umfangreiches Lieferkettengesetz – Was können wir erwarten?

von Julia Schmelter

Nachdem sich die Bundesregierung nach monatelangen Verhandlungen vor knapp vier Wochen schließlich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt hat, legt die EU nun nach. Am 10. März stimmte eine große Mehrheit der parlamentarischen Abgeordneten in Brüssel für eine deutlich weitreichendere Sorgfaltspflicht von Unternehmen entlang der Wertschöpfungsketten.

Kompromiss der Bundesregierung stößt auf Gegenwehr

Bereits beim deutschen Minimalkonsens äußerten Wirtschaftsverbände scharfe Kritik an dem Vorhaben, deutsche Unternehmen zukünftig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Dabei haben BDA, BDI, DIHK und ZDH mit einem Brandbrief schon im Dezember letzten Jahres ihrem Missfallen Ausdruck verliehen und ihren Einfluss geltend gemacht. Das deutsche Gesetz soll laut Gesetz erst 2023 für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten und für Firmen ab 1000 Beschäftigten ab in Kraft treten. Millionenstrafen können drohen, wenn sie nicht „in angemessener Weise“ Menschenrechtsverstößen entlang der Lieferkette entgegenwirken. Die Formulierung bleibt vage, womit rechtlichen Grauzonen den Weg geebnet wird. Zudem sollen Opfer von Menschenrechtsverletzungen keine Möglichkeit bekommen, auf Grundlage des deutschen Gesetzes selbst Klage einzureichen und auch der Umweltschutz wurde ausgeklammert.

Die Forderungen des EU-Parlaments

Menschenrechtsorganisationen, Umweltverbände und Kirchen kritisieren die ablehnende Haltung der Wirtschaftsverbände und bewerteten die Einigung der deutschen Regierung als zu lasch. Die Abstimmung des Europäischen Parlaments über die Prioritäten für ein europäisches Lieferkettengesetz geben hingegen Anlass zu Hoffnung auf eine grundlegende Verbesserung der Arbeits- und Umweltstandards weltweit. Im aktuellen Entwurf spricht sich die Mehrheit der Parlamentarier*innen für Sanktionen gegen Unternehmen im Falle von Menschenrechts- und Umweltverstößen und für rechtliche Unterstützung für Geschädigte aus. Produkte, die mit Zwangs- oder Kinderarbeit in Zusammenhang stehen, sollen verboten werden. Darüber hinaus sollen neben den Großunternehmen auch börsennotierte, kleine und mittlere Unternehmen mit hohem Risiko sowie mittelbare Zulieferer und Subunternehmer*innen von EU-Firmen in Risiko-Branchen wie der Textilindustrie ihrer Verantwortung gemäß den Regelungen im Lieferkettengesetz nachkommen müssen. Ungleich des deutschen Gesetzesentwurfs soll der europäische außerdem strenge Haftungsregeln beinhalten, die Firmen zu finanzieller oder nicht finanzieller Entschädigung verpflichten können, wenn Menschenrecht oder Umwelt in Mitleidenschaft gezogen werden. Zu den Menschenrechtsverletzungen zählt die Gesetzesinitiative explizit auch soziale, gewerkschaftliche und arbeitsrechtliche Rechte.

Meilenstein oder verpasste Chance?

Es kann davon ausgegangen werden, dass die EU-Kommission Abstriche machen und das finale Gesetz weniger bahnbrechend sein wird als die Parlaments-Abgeordneten es vorgeschlagen haben. Vor allem die deutschen Wirtschaftsverbände werden weiterhin Druck auf politische Entscheidungsträger*innen ausüben, um möglichst wenig Sorgfaltspflichten für Unternehmen einzuführen. Argumente gegen ein fortschrittliches Lieferkettengesetz werden die schon bestehende finanzielle Belastung durch die Corona-Pandemie und das viel zitierte Bürokratiemonster sein, sowie der marktwirtschaftliche Nachteil, der durch die Eingriffe in den freien Handel entsteht. Nichtsdestotrotz kann sich die Kommission nicht mehr hinter wohlwollenden Worten und dem Verweis auf Selbstverpflichtungen von Unternehmen verstecken. Erstens muss die EU, die sich als Wertegemeinschaft versteht, für Menschenrechte einstehen und Maßnahmen ergreifen, dass Menschenrechtsverletzungen Einhalt geboten wird, die von europäischen Unternehmen zu ihrem Vorteil in Kauf genommen werden. Zweitens hat auch die Kommission eingesehen, dass Umweltschäden andernorts zu kurz- und langfristigen Auswirkungen auf unser Leben in Europa hat und wird sich daher auch beim Lieferkettengesetz dem Umweltschutz annehmen müssen.

Noch können wir nicht im Detail wissen, was der finale Gesetzesbeschluss über ein Lieferkettengesetz beinhalten wird, den die EU-Kommission nun zeitnah vorlegen muss. Doch schon jetzt lassen sich wesentliche Forderungen vermissen, die für eine konsequente Durchsetzung von Menschenrechts- und Umweltstandards essenziell sind, und welche die JEF Deutschland in ihrem Beschluss ‚Unserer Verantwortung gerecht werden – Für Menschenrechte und Umweltschutz entlang der Lieferketten‘ von November 2020 fordern. Transparenz etwa hinsichtlich der Lieferketten von Unternehmen sowie die Umsetzung ihrer Sorgfaltspflicht sollten verpflichtend sein. Des Weiteren muss besonders auf den Schutz vulnerabler Gruppen eingegangen werden. Dazu gehören insbesondere auch indigene Völker, deren Lebensräume respektiert werden müssen. Grundlage für das Gesetz soll die Charta der Menschenrechte der Europäischen Union sein. Außerdem reicht es nicht aus, wenn Unternehmen auf umweltbelastende Materialien und Produktionsweisen verzichten. Sie sollen darüber hinaus weitestgehend klimaneutrale Energiequellen nutzen, die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien fördern sowie an der Aufklärung über Umwelt- und Klimaschutz beitragen. Die Umweltstandards sollen an den Beschlüssen des Pariser Klimaabkommens und den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ausgerichtet sein. Nicht weniger wichtig sind das Recht auf Kollektivverhandlungen mit Unternehmen, dem Produktionsland entsprechende existenzsichernde und faire Löhne und die Gewährleistung sozialer Sicherungssysteme. Zu weiteren Regelungen sollten die Internationalen Arbeits- und Sozialstandards der Vereinten Nationen dienen.

Sollte das Lieferkettengesetz so, wie es das Europäische Parlament vorschlägt, unerwartet durchkommen, wäre dies ein großer Schritt in die richtige Richtung, hin zu menschenwürdigeren Arbeitsbedingungen sowie zu sozialeren und demokratischeren Gesellschaften weltweit. Selbst mit kleinen Abstrichen wird der Gesetzesvorstoß wahrscheinlich dennoch über das Lieferkettengesetz der deutschen Bundesregierung hinausgehen und dazu beitragen, negativen Auswirkungen der globalisierten Wirtschaft entgegenzuwirken. Es führt kein Weg mehr daran vorbei: Die Wirtschaftsverbände müssen sich damit abfinden und die deutschen Unternehmen können die Zeit bis zum Beschluss auf europäischer Ebene dazu nutzen, Maßnahmen Schritt für Schritt in Gang zu setzen. Diese stufenweise Verschärfung der Sorgfaltspflicht kann sich sogar als Wettbewerbsvorteil erweisen. Gleichwohl wurden auch von den EU-Parlamentarier*innen nicht alle realisierbaren Wege, die einen umfassenden Schutz von Mensch und Umwelt durch europäische Unternehmen zum Ziel haben, welche damit ihrer globalen Verantwortung nachkommen würden, gegangen. Das ist bedauernswert, war aber mit Blick auf die derzeitige Wirtschaftsordnung absehbar.

Kommentar: Frontex – Schutz oder Schande?

von Peter Meiwald

„Frontex, die Europäische Agentur für die Grenz-und Küstenwache, wurde 2004 mit dem Ziel gegründet, die Mitgliedstaaten und Schengen-assoziierten Länder beim Schutz der Außengrenzen des EU-Raums des freien Verkehrs zu unterstützen. Als EU-Agentur wird Frontex aus dem EU-Haushalt und durch Beiträge der assoziierten Schengen-Länder finanziert. Bis 2021 soll die Agentur etwa 1 000 Mitarbeiter beschäftigen. Fast ein Viertel davon werden von den Mitgliedstaaten abgeordnet und kehren nach dem Ende ihrer Amtszeit bei Frontex in ihren nationalen Dienst zurück.“ So definiert sich die Grenzschutztruppe der EU in schönen Worten auf ihrer Website.

Auffällig geworden ist die dem Franzosen Fabrice Leggeri unterstehende Behörde in den vergangenen Jahren, in denen sich ihr Budget von 6,2 Mio. € (2005) auf 544 Mio. € (2021) aufgebläht hat, aber kaum durch das Ausüben einer Schutzfunktion für die Bürger*innen der EU, sondern insbesondere durch einen wenig menschenschützenden Umgang mit geflüchteten Menschen. Hand in Hand mit Grenztruppen einzelner Mitgliedstaaten beteiligen sich die EU-Grenzschützer offenbar an völkerrechtlich nicht gedeckten sogenannten Pushbacks von Menschen, die versuchen, auf dem Territorium der EU Schutz zu finden. Aktuelle Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen betreffen u.a. das aktive Mitwirken oder zumindest bewusstes Wegschauen an Abdrängung von Flüchtlingsschlauchbooten in der Ägäis, selbst wenn diese schon griechische (EU-) Gewässer erreicht haben. Leggeri bestreitet zwar völkerrechtswidriges Verhalten in einem aktuellen Interview mit der F.A.Z., indem er sich hinter fehlenden Informationen, der griechischen Küstenwache und der Verantwortung der Türkei für die Grenzöffnung für Geflüchtete versteckt. Eine positive Vision der so oft beschriebenen gemeinsamen europäischen Werte der Humanität für das Frontex-Wirken wird allerdings in diesem an Zynismus kaum zu überbietenden Interview keinesfalls erkennbar.

Hier wird deutlich, dass es den EU-Institutionen auch im 6. Jahr nach der humanitären Aufnahme einer größeren Zahl von Flüchtlingen in der EU immer noch nicht gelungen ist, zu einer gemeinsamen Politik zu finden, die der postulierten gestiegenen Verantwortung in der globalisierten Welt gegenüber dem Elend von mittlerweile knapp 80 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, gerecht wird.

Immerhin hat der Innenausausschuss des EU-Parlaments zum 23.02.21 eine 14-köpfige Frontex-Prüfgruppe eingerichtet, deren Hauptaufgabe es sein wird, innerhalb von 4 Monaten die Frage, ob die Agentur systematisch Menschenrechtsverletzungen begangen habe, zu erhellen. Es steht zu hoffen, dass die gewählten Volksvertreter*innen ein anderes Verständnis von Rechten von Geflüchteten und Seenotrettung an den Tag legen werden als es offenbar die Frontex-Verantwortlichen tun. Eine EU, die ihre Außengrenzen gegenüber wehrlosen Schutzsuchenden abschottet und dabei sogar Tote in Kauf nimmt. Die in der neuen strategischen Agenda für die EU 2019-2024 u.a. zum Ziel erhobene „Förderung von Frieden, Stabilität, Demokratie und Menschenrechten in der Welt“ sollten auch für die eigenen Institutionen und an den eigenen Grenzen gelten!