Lesenswert: „Warum Europa eine Republik werden muss: Eine politische Utopie“ von Ulrike Guérot 

Europa? Krise!

Was bleibt einem als Europäer in der Krise? Resignation kann es nicht sein, denn sie gestaltet nichts, und was von selbst läuft, läuft bergab. Der Rückzug auf eine erwiesenermaßen unsinnige Scheinlösung wie Nationalismus kann es auch nicht sein. Denn dazu muss man die Lehren der Geschichte und die Bedingungen der globalisierten Welt gleichzeitig ausblenden. Eine andere Herangehensweise ist es, eine Utopie zu entwerfen.

Ulrike Guérot, Politikwissenschaftlerin und Direktorin des European Democracy Lab in Berlin, entwirft in ihrem Buch Warum Europa eine Republik werden muss!: Eine politische Utopie das Bild eines als Republik geeinten Europas.

 Europa: Gründe für die Krise

Im ersten Teil analysiert Guérot, wie und warum Europa in eine tiefe Krise geraten ist. Im Kern geht es darum, dass die Europäische Union in ihrer Struktur zu verworren und undemokratisch ist, dass es den europäischen Bürgern an politischer Gleichheit fehlt und die nationalen Interessen immer wieder dem Gemeinwohl entgegen stehen. Die gegebenen Machtverhältnisse und Interessenslagen führten dazu, dass insbesondere die ländlichen Regionen und Europas Randregionen abgehängt würden. Und da die Menschen der EU die Lösung nicht mehr zutrauen, gibt es einen Rückfall in Nationalismen – trotz der Erfahrung, dass sie in der Vergangenheit immer zu Krieg und Zerstörung  geführt haben, nicht zu Wohlstand und Freiheit. Und trotz des Wissens: Die kleinen Einzelstaaten haben in der globalisierten Welt gar keine Chance. Ein Dilemma.

Europa: Ein Ausweg

Als Ausweg präsentiert Guérot im zweiten Teil die Europäische RePublik, deren P sie groß schreibt, um die Bedeutung des Gemeinwohls zu unterstreichen. Eine RePublik sei genau das System, das zwischen Nationalismus, Sozialismus und Liberalismus stehe. „Das Bild, das hier vor Augen steht, zeigt lebendige, sich weitgehend selbstregierende europäische Provinzen unter dem gemeinsamen rechtlichen Dach einer Europäischen Republik, animiert und belebt von Bürgern, statt von Nationen“, schreibt sie auf S. 122. Die Autorin führt aus, wie die politische, die territoriale und die wirtschaftliche Neuordnung aussehen könnte.

Im dritten Teil, dem „Nachklapp“, betrachtet Guérot die Rollen dreier Gruppen: die der Frauen, die der Jugend und die der Bildungs-Elite.

Europa: Gar nicht so utopisch

Das Buch lässt sich als Drama lesen, als Provokation oder als Ermutigung. Die Dramatik, die es uns vor Augen führt, könnte lähmen, wenn da nicht zugleich die Lösungsansätze wären, die gar nicht so utopisch sind. Es lohnt sich, bis zum Schluss durchzuhalten, obwohl das Buch sprachlich teilweise sehr intellektuell daherkommt. Die Inhalte sind spannend, motivierend und diskussionswürdig, nicht nur für Eliten. Deshalb dürften sie gerne noch etwas leichter verständlich sein.

Vor allem ist das Buch wohl als Einladung geschrieben und auch so lässt es sich lesen: Eine Einladung, am Aufbau eines gemeinwohlorientierten Europa mitzuarbeiten, statt sich in die Resignation zu flüchten oder in „Lösungen“, die bekanntermaßen nicht funktionieren. Ob das Ergebnis dann so aussieht, wie die Autorin es vorschlägt? Vielleicht. In jedem Fall werden wir uns als Europäische Föderalisten an dieser Aufbauarbeit durch alle Rückschläge hindurch weiterhin beteiligen und freuen uns über jeden, der sich nach seinen Möglichkeiten aktiv mit einbringt.

Rezension von Lydia Girndt

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